Alpine Herausforderung in Nordirland – der Slieve Donard

Wer Janice vom Tourist Information Center in Newcastle (County Down, Nordirland) nach einem schönen Ausflugsziel fragt, sei gewarnt, wenn sie den Aufstieg zum Slieve Donard (dem höchsten Gipfel der Mourne Mountains) als ‚Sonntagsspaziergang‘ empfiehlt. Das sei ein netter Ausflug, sagt sie, und ihr zwölfjähriger Neffe habe das an einem Nachmittag geschafft. Und tatsächlich sieht der Berg von unten betrachtet recht harmlos aus und 400 Höhenmeter in der Stunde sind für einen geübten Wanderer durchaus zu schaffen. Aber man hätte es sich denken können: Die Iren haben, was das Wandern angeht, andere Maßstäbe und nicht zufällig ist der Weg nach oben als Challenge Trail ausgeschildert….

Der Badeort Newcastle

Das nordirische Newcastle, 50 km südlich von Belfast an der Ostküste gelegen, wirkt auf den ersten Blick eher wie ein typisch englischer Badeort. Aber ein genauerer Blick auf Ort und Umgebung sind in jedem Fall lohnend. Genau genommen vereinen sich hier mehrere spektakuläre Naturschönheiten zu einem einzigartigen Ensemble: Im Norden der Strangford Lough, ein tiefer Meereseinschnitt, dessen Zugang zum Meer so schmal ist, dass der geringe Wasseraustausch zu einem extrem hohen Salzgehalt führt. Der Strangford Lough zeichnet sich durch ein besonderes Mikroklima aus und er zählt zu den artenreichsten Gebieten in ganz Europa. Gefolgt von dem scheinbar endlosen Strand des Murlough Bay Nature Reserve mit seinen über 5000 Jahre alten Dünen. Südlich schließlich ragen die Mourne Mountains mit ca. 850 Metern aus dem Meer.

Die Mourne Mountains

Das Granitmassiv der Mourne Mountains beherrscht den Horizont, wenn man von Belfast gen Süden nach Newcastle fährt. Sie bedecken mit ihren 12 Gipfeln eine Fläche von ca. 24 x 13 km. Von ihnen handelt das Sehnsuchtslied der Iren in der Diaspora: die ‚Mountains of Mourne‘. Der höchste und markanteste Gipfel ist mit 849 Metern der Slieve Donard. Das gesamte Gebiet ist als sogenannte Area of Outstanding Natural Beauty klassifiziert.

 

Die Berge sind ein beliebtes Naherholungsgebiet und klassisches Wanderrevier. Daher haben sie viele Touristen, Wanderer, Bergsteiger und seit einiger Zeit auch Mountainbiker ‚auszuhalten‘. Um das Gebiet vor weiterer Erosion zu schützen erwarb der National Trust 1993 nach einer gigantischen Spendenaktion einen 5,26 km großen Teil der Mournes, in dem der Slieve Donard und der benachbarte Slieve Commedagh (767 m) liegen. Eine Sehenswürdigkeit ist die zwischen 1904 und 1922 errichtete 35 km lange Mourne Wall, die damals als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme diente und Schafe aus dem Trinkwassergebiet fernhalten sollten.

 

Ein ‚Sonntagsspaziergang‘ der irischen Art

Wie dem auch sei, Start der Wanderung auf den Slieve Donard ist an ‚Bloody Bridge‘ (Donard Park), am südlichen Ortseingang. Der Weg ist gut ausgeschildert und beginnt auch recht harmlos durch den Park. Die ersten ca. 200 Höhenmeter gehen durch den Donard Forest, einen dichten Parkwald mit altem Baumbestand und üppigem Rhododendronwuchs. Man folgt dem Glen River und wenn auch die vielen kleinen Wasserfälle und Stromschnellen des Bachlaufes äußerst idyllisch wirken, erweist sich der Weg mit dem sehr felsigen und steilen Untergrund bald als ziemlich rauher, durchaus ‚alpiner‘ Track – mehrere Bachüberquerungen und ein Aufstieg durch eine steile ‚Klamm‘ machen das erste Mal stutzig – Sonntagsspaziergang?

Wo sich der Wald lichtet treten allmählich die Berge ins Blickfeld. Der Weg ist ab hier erst mal unproblematisch, der Boden mit Heide und Gras dicht bewachsen, allerdings geht er weiter oben allmählich in ein steile Steinstufen über. Den Slieve Commedagh (767 m), den zweithöchsten Gipfel der Mourne Mountains kann man bereits komplett sehen. Was man nicht weiß: Der Slieve Donard – das eigentliche Ziel – ist von hier durch eine vorgelagerte Schulter verdeckt.

Der steinige, angelegte Weg führt nun längst sehr steil auf dem Sattel zwischen den beiden höchsten Gipfeln Nordirlands bergan, voraus im Blick eine steinige Mauer (die Mourne Wall), die sich über den gesamten  Bergkamm zieht. Spätestens auf diesem Abschnitt bläst (auch bei schönstem Sommerwetter) ein ungemütlicher, vom Meer kommender kalter Wind.

Erst wenn man die Mauer überwunden und die andere Seite erreicht hat, eröffnet sich das ganze Ausmaß des restlichen Aufstiegs. Ab hier ist das Ganze nur noch was für richtig geübte Wanderer, insbesondere der Abstieg ist nichts für Ungeübte: den Wind kann man auf dieser Seite mitunter getrost als Sturm bezeichnen und die letzten ca. 300 Höhenmeter (1 km Horizontaldistanz!) sind in sehr steilem Gelände mit von Hunderten von Wanderern (die Strecke ist in der Tat ein beliebtes Ausflugsziel der Einheimischen!) niedergetretenem rutschigen Grasuntergrund zu überwinden.

Den Blick vom Gipfel (ca. 850 m) über die Küste Richtung Norden kann man allerdings getrost als sensationell bezeichnen! http://www.adsystemsit.com/roundview/donard.htm

 

Der ‚Mourne Mountain Challenge Walk‘

Auch wenn der Aufstieg auf den Donard alpine Momente hat, kann hier von Challenge – Herausforderung noch nicht die Rede sein.

Auf dem Sattel hinter der Mourne Wall kommt man mit den einheimischen Bergwanderern ins Gespräch, die von Herausforderungen ganz anderer Güte berichten:

Dem ‚Seven Sevens Mourne Mountain Challenge Walk‘, der einmal im Jahr (im August) vom Red Sox Wander Club organisiert wird. Das Ziel ist, die 7 höchsten Gipfel der Mournes, alle mehr als 700m hoch, innerhalb eines Tages zu erklimmen. Auch wenn der Trail technisch nicht übertrieben anspruchsvoll ist, hat der Challenge Walk es durchaus in sich: Die Rede ist  von 28 zurückgelegten Kilometern, insgesamt 2705 (!) Höhenmetern insgesamt und ca 13 Stunden – unnötig zu erwähnen, dass nicht alle Teilnehmer das Ziel erreichen.

Wem diese Herausforderung noch nicht reichen sollte, kann an der Besteigung aller 12(!) Gipfel, bei der innerhalb von 24 Stunden eine Strecke von knapp 42 Kilometern zurückgelegt wird, teilnehmen – eine ‚Herausforderung, die von dem nordirischen Everest Bergsteiger Terence Banjo Bannon 2008 ins Leben gerufen wurde…..

 

 

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