Sehr geehrte gnädige Frau…….

Ein Stück Zeitgeschichte im Postkartenformat

„Sehr geehrte gnädige Frau! Bitte haben Sie die Freundlichkeit, die auf der Vorderseite dieser Karte befindliche Schallplatte auf Ihren Sprechapparat zu legen. Musik und Gesang sowie einen Vortrag, der Ihr Interesse finden wird, bekommen Sie zu Gehör. Verwenden Sie jedoch nur eine bereits gespielte Nadel. Ein weiterer Nadelwechsel ist dann, obwohl die Platte mehrere hundertmal gespielt werden kann, nicht mehr erforderlich. Wenn Sie Damen Ihres Verwandten- und Bekanntenkreises zu Besuch, dann werden Sie diesen durch Vorspiel der Schallplatte sicher gleichfalls eine Freude und Überraschung bereiten. Dem beiliegenden Prospekt bitten wir Beachtung schenken zu wollen, und es sollte uns ganz besonders freuen, wenn auch Sie, sehr geehrte gnädige Frau, „Mode und Heim“ zu Ihrem Führer und Berater für alle Mode- und Haushaltsfragen auserwählen.“

…….ein Aufräum-Fundstück aus der Kategorie: ‚Aufräumen bildet‘ und ‚das waren noch Zeiten‘

Mal abgesehen davon, daß der Text ein sehr schönes Beispiel dafür ist, wie sich Sprache verändert, hat mich dieses  Fundstück dann doch mehr interessiert.“

Zunächst wollte ich einfach Neugierde halber herausfinden, von wann diese ‚Schallfolie‘ datiert. Und wie das so ist – eins ergab das andere. Genaueres über die Schallfolie habe ich zwar nicht herausfinden können (habe sie leider auch nicht abspielen können), stieß aber auf einen Beitrag der Historikerin Marion Wittfeld (Working Paper zu ihrer Dissertation/Kunsthistorische Studien) und habe immerhin Einiges gelernt……https://zeithistorische-forschungen.de/2-2015/id=5242

Die Zeitschrift ‚Mode und Heim‘ erschien in den Jahren des Nationalsozialismus von 1931 bis 1944 (insgesamt 280 Ausgaben). Und wer hätte gedacht, dass man offenbar schon damals über das propagandistische Potential von Modezeitschriften nachdachte bzw. es zu nutzen wußte. Immerhin 11.000 Anweisungen des Propagandaministeriums finden sich zu diesem Thema.

„Mode wurde vom Propagandaministerium als ein wichtiger politischer, kulturpolitischer, wirtschaftlicher und psychologischer Faktor definiert – und die Presse hatte die Aufgabe, ihre LeserInnen in Text und Bild davon zu überzeugen.“ [36]

Die Geschichte der Modeblätter aus dieser Zeit berührt Themen der Emanzipation (Frauen als Fotografinnen und Redakteurinnen), Berufsverbote für jüdische Fotografinnen/MitarbeiterInnen, aber auch die Frage nach weiblichen/modischen Leitbildern spielte eine Rolle.

Und so manches Problem/mancher Aspekt ist uns durchaus nicht fremd: „So wurde in einer Anweisung vom Juni 1939 das häufige Abbilden durchtrainierter Modelle kritisiert, denen die Leserinnen vergeblich gleichzukommen suchten.[32] Und im November 1941 hieß es, dass unter anderem die in den Zeitschriften abgedruckten Modefotos keine Diskrepanz zur Lebensrealität der Leserinnen erzeugen dürften.[33] Beide Anweisungen zielten darauf ab, die Betrachterinnen nicht zu verärgern, sei es durch unerreichbare Körperideale oder unerreichbar gewordene Kleidung.“

„Eine Aufgabe der Zeitschriften sollte es sein, Mode als Ausdruck der »Lebensbejahung und Lebensfreude« abzubilden.[50] Das sollte nicht nur die Stimmung der Leserinnen aufrechterhalten, sondern auch der psychologischen Unterstützung der Männer an der Front dienen, denn »Frauen in hübschen Kleidern mit warmen, leuchtenden Farben helfen mit, Freude im Kriegsalltag – vor allem bei den Soldaten – zu verbreiten«.[51]

Wer Lust hat, den gesamten Aufsatz von Marion Wittfeld zu lesen, kann das hier tun

https://zeithistorische-forschungen.de/2-2015/id=5242

http://studylibde.com/doc/898896/mit-der-deutschen-frau-und-mutter-steht-und-fällt-die-innere

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